3 praktische Schritte für weniger Angst vor Verletzung nach Missbrauch
- nataschafreisein
- 9. März
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Mai
Ich werde dir nicht sagen, dass du einfach vertrauen sollst, weil der richtige Partner sich einfach richtig anfühlen wird und du ihm dann automatisch vertrauen wirst. Denn Missbrauch führt zu einer tiefen Angst. Der Angst, dass wir wieder missbraucht und für unser Wesen und unser Innerstes beschämt werden. Es ist normal, dass wir nach einer solchen zutiefst traumatischen Erfahrung dichtmachen, unser authentisches Ich wegsperren und Verbindung eher vermeiden.
Doch die Sehnsucht nach Verbindung bleibt und wird meist sogar noch größer. Denn wir sind menschlich. Und Mensch sein bedeutet Verbindung zu suchen und einzugehen.
Und darin liegt für viele Opfer von Missbrauch meist der größte Schmerz: Wir suchen weiterhin eine tiefe Verbindung, von der wir beim Narzissten glaubten, sie endlich gefunden zu haben, und haben gleichzeitig eine immense Angst davor unsere Maske fallen zu lassen.
Ich weiß nicht, wie dies bei dir ist, aber ich habe nach Ende der Beziehung unbewusst eine Maske kreiert, hinter der ich mich versteckte. Ich lernte, meine Mimik und Gestik zu kontrollieren aus Angst von Wildfremden beschämt zu werden. Ich saß im Bus so reglos wie möglich da, beobachtete die Menschen, um zu überprüfen, ob sie mich beobachteten oder auslachten. Es war anstrengend und ich spürte einen tiefen Graben zwischen mir und meinen Mitmenschen. Nie fühlte ich mich verbunden. Meine Angst stand mir im Weg. Auch die Isolation während der Pandemie hat zu dieser Angst vor Nähe und einer Angst vor meinen Mitmenschen beigetragen.
Unter dem Gefühl nicht liebenswert zu sein, liegt meistens ein Gemisch aus Scham, Selbst-Ekel, Trauer und Wut. Wir entwickeln Scham für unser Wesen und Aussehen, wenn wir entweder schon früh vernachlässigt worden sind und deshalb glauben, nicht liebenswert oder schön genug zu sein oder wenn jemand wie der Narzisst seine eigene Scham auf uns projiziert hat. Hat jemand über einen langen Zeitraum uns immer wieder vermittelt, dass wir nicht liebenswert, ekelhaft, hässlich, etc. sind, dann kann ein tiefer Selbst-Ekel entstehen, der uns daran hindert, auf andere Menschen zuzugehen, auch wenn unser Verstand Nähe will. Oft ist Ekel auch mit stark verdrängter gesunder Wut vermischt.
Unser Unterbewusstsein ist immer stärker und wird Nähe verhindern, wenn Selbst-Ekel und Selbsthass noch in uns stecken.
Wut und Trauer sind Emotionen bzw. Energien (E-motion = Energie in Bewegung). Beide Emotionen können im Körper feststecken und beeinflussen dann den Zustand unseres Nervensystems und vice versa sowie unsere Gedanken. Wir sehen die Welt durch unsere eigene Trauma-Brille, die dazu führt, dass wir nicht mehr vertrauen, obwohl wir es wollen und auch wenn die Menschen um uns herum "sicher" sind.
Hier drei praktische Schritte zu mehr Selbst-Vertrauen und Selbst-Annahme, die deine Angst vor erneuter Verletzung reduzieren. Ich empfehle dir, mit einer Therapeutin zu arbeiten, die somatisch arbeitet und Erfahrung in der Behandlung von traumatisierten Menschen hat. Das muss nicht unbedingt eine Psychologin sein, es sollte aber jemand mit mehrjähriger Erfahrung in der Trauma-Therapie haben, die auch ein fundiertes Wissen bezüglich Nervensystem hat.
Erkunde woher diese Stimmen kommen. Wann hast du zum ersten Mal in deinem Leben gehört, dass du nicht liebenswert bist? Wo hast du gelernt, dass du nicht sicher bist? Übe dich darin, zu erkennen, wann deine eigene Stimme (positiv) und fremde Stimmen (meist negativ und aus der Vergangenheit) dein Denken und Fühlen dominieren.
Integriere Emotions-Regulation in deinen Alltag. Suche dir Techniken, die dir helfen dich sicher zu fühlen und mache sie täglich. Dies kann EFT (Emotional Freedom Technique), Qigong, Yoga Nidra, Breathwork, etc. sein. Spüre, was dir gut tut und erstelle einen konkreten Plan, um welche Uhrzeit du diese Praktik ausübst. Je konkreter wir sind, desto einfacher fällt es uns, den Plan einzuhalten. Ein Buch-Tipp zur Etablierung von neuen Gewohnheiten ist Die 1%-Methode von James Clear.
Welche konkreten Ängste hast du in Hinblick auf das Dating und eine neue Beziehung? Schreibe sie auf und erkunde dann, wie du dich seit Ende der Beziehung weiterentwickelt hast und dich somit heute beschützen kannst vor einem solchen Menschen. Hast du Angst vor körperlicher Grenzüberschreitung? Dann könntest du dich schützen, indem du dir beim Dating drei mal oder zehn mal so viel Zeit mit dem ersten Körperkontakt lässt wie früher. Wie kannst du jetzt schon üben, gesunde Grenzen zu setzen?
Noch eine Anmerkung zu alten verdrängten Emotionen. Je mehr Raum, Langsamkeit und Zeit wir in unserem Leben haben, desto eher ist unser Nervensystem bereit für das Aufarbeiten alter Emotionen. Nicht unser Kopf entscheidet, wann wir bereit dafür sind, sondern unser Nervensystem. Je weniger Druck du dir also machst, heilen zu müssen und spüren zu müssen, desto eher wirst du bereit sein, wieder zu vertrauen.
Je mehr du diese negativen Stimmen, die andere auf dich projiziert haben, von deinem authentischen Ich trennen kannst und je mehr du alte Emotionen wie Wut und Trauer erkundest und zulässt, desto geringer wird auch die Angst vor erneuter Verletzung. Desto mehr wirst du dich mögen, wertschätzen, lieben und als liebenswert erachten und dich in deinem Körper sicher und Zuhause fühlen.
Deine Natascha
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