Hat Selbsthass seinen Ursprung in der Kindheit? Lerne dich zu lieben.
- nataschafreisein
- 13. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Dieser Artikel spiegelt meine persönliche Meinung wieder, beruht auf meiner Erfahrung und ist kein wissenschaftlicher oder medizinischer Artikel.
Je tiefer der Selbsthass, desto tiefer musste die gesunde Wut vergraben werden.
Was, wenn du dich nicht hasst, sondern der Selbsthass ein Symptom für verdrängte gesunde Wut ist? Was, wenn die gesunde Wut nicht ausgedrückt werden konnte/durfte, um die dysfunktionale Bindung zu den Eltern oder dem Partner zu schützen?
Weil mein damaliger Selbsthass nur ein Symptom war, führten die gängigen Selbstliebe-Tipps zu absolut keiner Veränderung. Immer und immer wieder kehrte ich zurück zum Ausgangspunkt: Selbsthass. Und dann hasste ich mich dafür, mich selbst zu hassen.
Fehlende Selbstliebe und starker Selbsthass kommen meiner Meinung nach nicht von ungefähr und sie können vielfältige Folgen für unser Leben haben:
Wir sehen uns als Fehler, suchen die Schuld bei uns
Wir leiden unter Overthinking
Wir sind Perfektionistinnen
Wir glauben nicht liebenswert zu sein, weshalb
Wir Schwierigkeiten haben respektvolle Männer kennenzulernen
Wir glauben kaputt oder zu schwierig zu sein
Wir leiden unter Wutausbrüchen
Wir haben berufliche Schwierigkeiten oder arbeiten extrem viel
Wir haben finanzielle Probleme
Schlafprobleme
Körperliche Symptome (tiefsitzende Scham und Wut können ein Grund für die körperlichen Symptome sein)
Depressionen
Wir bekommen Diagnosen, die womöglich nicht die Ursache erkennen oder falsch sind (Borderline Personality Disorder ist eine häufige Diagnose für Frauen, die emotionale Vernachlässigung erfahren und die keine sichere Bindung erlebt haben)
Statt mich auf Selbstliebe zu fokussieren, realisierte ich irgendwann, dass ich mich auf den Selbsthass fokussieren und ihn verstehen musste. Statt ihn weghaben zu wollen, begann ich mich ihm zuzuwenden. Und damit wand ich mich mir selbst zu, zum ersten Mal im Leben. Immer und immer wieder spürte ich Trauer, Wut, Angst, Scham, Schuld, Trauer, Wut, Trauer, Wut. Und das war okay. Ich hatte durch meine Therapeutin gelernt, diese Emotionen anzuerkennen und liebevoll anzunehmen. Mein Körper zeigte mir den Weg, zeigte mir, was gefühlt werden wollte. Die Trauer saß auf meiner Brust, in meinen Rippen, meiner Lunge. Die Wut saß in meinem Hals, meinem Bauch, meinen Beinen.
Ich verstand plötzlich, dass mein Körper die Wut auf einige Menschen in meinem Leben gespeichert hatte. Doch plötzlich war es sicher sie zu spüren, rauszulassen. Und es überraschte mich, wie sanft das Spüren und Rauslassen von Wut war. Kein Prügeln auf ein Kissen, kein Schreien, sondern ein Innehalten und Hineinspüren in meinen Körper. Mein Ellbogen wollte nach hinten ausholen, wollte mich nachträglich verteidigen und so leitete mich meine Körpertherapeutin an, diesen in Zeitlupen-Tempo nach hinten zu fahren. Tränen kam hoch als ich die Bewegung ausgeführt hatte.
Ich erinnere mich noch daran als wir in einer Sitzung mit einem Meter Abstand nebeneinander auf unseren Sesseln saßen und einfach aus dem Fenster schauten und schwiegen. Minutenlang. Anfangs wurde ich unruhig, hatte das altbekannte Gefühl, sie unterhalten zu müssen. Ich spürte wieder in meinen Körper hinein und ließ den Druck los und erlebte plötzlich in ihrer Anwesenheit entspannen zu können. Mein Körper spürte, dass er ihr vertrauen konnte.
Wenn wir als Kind wenig authentische Zuneigung und Annahme erfahren, muss das Kind sich unweigerlich ablehnen. Ein Kind kann schlecht seine Eltern ablehnen und mit fünf oder sieben Jahren auf eigenen Beinen stehen und sich aus einem dysfunktionalen Familiensystem lösen. Und so übernimmt es unweigerlich die Ansichten der Eltern, Großeltern, Lehrer*innen und anderen Autoritätspersonen als die eigenen. Als Folge können wir kein gefestigtes gesundes Selbstbild aufbauen, sondern tendieren womöglich eher dazu, uns wie ein Fähnchen im Wind anzupassen, spüren nicht einmal unsere eigenen Bedürfnisse und kennen unsere Meinung nicht.
Auch Grenzen sind dann häufig ein Problem. Denn wer früher um jeden Preis geliebt werden wollte, kann keine Grenzen haben. Dann sind wir grenzenlos, um ein wenig "Liebe" abzubekommen oder aus Angst sonst verlassen zu werden. Je mehr, so der Glaube, wir uns aufgeben, hart arbeiten, Ja sagen, desto eher werden wir gemocht. Schon allein der Gedanke an Grenzen, ein festes Nein, einer Freundin abzusagen, hat früher Bauchschmerzen in mir ausgelöst. Ich hatte sofort Angst, sie zu verlieren, zu verärgern und auch wenn ich es manchmal schaffte, mein Bedürfnis oder Nein zu kommunizieren, widerrief ich es kurz darauf oft wieder, weil ich das schlechte Gewissen und die Angst vorm Verlust nicht aushielt.
Selbstliebe beginnt beim Verstehen des Selbsthasses:
Wann und wo und durch wen hast du gelernt, dich abzulehnen?
Wem zuliebe musstest du dich selbst ablehnen?
Durftest du als Kind Grenzen setzen und deine eigene Identität entwickeln?
Waren deine Bezugspersonen emotional anwesend und auf dich eingestimmt oder warst du für sie eine Last?
Wie hast du dich als Kind und Jugendliche gefühlt?
In der Gegenwart welcher Menschen kannst du dich tendenziell eher annehmen? Mit welchen weniger?
Falls du Depressionen hast/hattest: Welche Emotionen könnten eventuell darunter liegen?
Wovor hat dich dein Selbsthass beschützt?
Statt dir den Druck zu machen, dich lieben zu müssen, beobachte den Selbsthass. Du bist nicht Selbsthass, sondern der Selbsthass entwickelte sich als Überlebenstechnik.
Deine Natascha



Kommentare